Carcassone Extrem hat geschrieben: ↑Mo 27. Feb 2023, 19:17
Ich finde die Anleitung bei "Nebel über Carcassone" anstrengend zu lesen.
"Huch, was?"; das war mein Gedanke, als ich dies las. Ich besitze Nebel über Carcassonne und habe mir die Anleitung mindestens dreimal durchgelesen und ich hätte nicht gesagt, dass dort gegendert wird.
Das ist immer der Moment, wo mir sowas nicht aus dem Kopf geht. Also zack die Anleitung geschnappt und nochmal mit einem geschärften Blick nachgeschaut. Als erstes habe ich mir die Anleitung noch einmal komplett durchgelesen und siehe da, ja man findet andere Sprachformen in der Anleitung. Ich muss aber auch gleich sagen, dass ich die Anleitung einfach runterlesen konnte.
Ok, so viel zum ersten Blick mit scharfen Augen. Das fand ich dann aber doch etwas zu wenig und daher gehen wir das ganze doch mal mit etwas mehr Fakten an.
Nebel über Carcassonne
Seite 1 (Deckblatt): 0 (0 / 2) / 79 | 0% / 0% / 2,53%
Seite 2: 2 (0 / 0) / 390 | 0,51% / 0% / 0%
Seite 3: 3 (1 / 0) / 470 | 0,64% / 0,21% / 0%
Seite 4: 2 (0 / 0) / 430 | 0,47% / 0% / 0%
Seite 5: 0 (0 / 0) / 414 | 0% / 0% / 0%
Seite 6: 1 (1 / 0) / 421 | 0,24% / 0,24% / 0%
Seite 7: 1 (1 / 0) / 281 | 0,36% / 0,36% / 0%
Seite 8: 1 (3 / 0) / 323 | 0,31% / 0,93% / 0%
Seite 9: 0 (0 / 0) / 496 | 0% / 0% / 0%
Seite 10: 0 (0 / 0) / 447 | 0% / 0% / 0%
Seite 11: 2 (0 / 0) / 396 | 0,51% / 0% / 0%
Seite 12: 0 (0 / 0) / 407 | 0% / 0% / 0%
Summe: 12 (6 / 2) / 4554 | 0,26% / 0,13% / 0,04%
Legende:
Seite: Anzahl Gendersterne (Anzahl generisches Femininum / Maskulinum) Wörter gesamt | Verhältnis Gendersterne / generisches Femininum / Maskulinum zu Wörtern gesamt
Beim Deckblatt muss man dazu sagen, dass hier ein erzählender Text abgedruckt ist, welcher keine mitspielende Person direkt anspricht. Somit ist hier das eigentliche Ziel der "Genderbewegung" auch gar nicht zu suchen. Besonders deutlich wird dies in der direkten Rede.
Auch wenn in der Anleitung im Wesentlichen zwei verschiedene Arten vorkommen, so folgt sie hier doch einer klaren Struktur. Im reinen Regeltext wird durchgehend das Gendersternchen verwendet. Die reine weibliche Form kommt stets in den Beispielen vor. So geht die Anleitung davon aus, dass die Farbe Gelb nach uns dran ist und dies ist eine weibliche Mitspielerin. Da es hier um ganz konkrete Beispiele geht ist dieses Vorgehen auch total nachvollziehbar. Die Anleitung beschreibt es ja auch so, dass eine Person die Regeln liest und sie dann der Gruppe erklärt. Dies wird ziemlich am Anfang klar beschrieben. Hierbei kann man von der auserwählten Person dann eine gewisse Transferleistung verlangen, diese Beispiele auf eigene Situationen abzubilden.
Was mir außerdem aufgefallen ist: Der Verlag hat nicht einfach stumpf alles durchgegendert, sondern die Gedanken gingen hier eindeutig weiter und nehmen sogar bestimmte Kritikpunkte der Gegenbewegung (explizit der geringere Lesefluss) auf. Hier ein Beispiel aus Seite 3: "Deine Mitspieler*in darf dort also keinen einsetzen." Hier befindet sich nur ein einziger Genderstern in dem Satz, wobei man ihn auch einfach so hätte schreiben können: "Dein*e Mitspieler*in darf dort also keinen einsetzen." Rein formal wäre dieser Satz besser gegendert, aber der Lesefluss wird eingeschränkt. Dieses Prinzip findet man auch an anderen Stellen in der Anleitung.
Warum überhaupt so wenige geschlechtsspezifische Formen in der Anleitung vorkommen liegt an dem Stil: Alle Leser*innen werden, wie auch in den alten Anleitungen, direkt und persönlich als Gruppe angesprochen. Somit wird im überwiegendem Teil der Texte diese "Schwäche" der deutschen Sprache simpel umgangen, außerdem klingt es nicht so formal, was gerade für jüngere Leser einfacher ist.
Auf Seite 11 befindet sich sogar ein kurzer Text, der sich u.a. mit der Genderthematik befasst. Leider wird man auf die Website des Verlags verwiesen, welche ja schon länger nicht genutzt werden kann. Daher konnte ich hier nicht weiter recherchieren.
Auch ich bin während des Lesens an zwei Stellen etwas gestolpert. Einmal ist dies die Verwendung der Zahl 1, welche nicht ausgeschrieben wird. An Stellen, wo die Anzahl nicht entscheidend ist (2 Meeple, 1 Landschaftsplättchen), sondern ein klares Objekt adressiert wäre es ausgeschrieben für mich persönlich besser zu lesen: Eine Wertungstafel anstatt 1 Wertungstafel.
Die zweite Stelle ist ganz am Anfang, wo man etwas sparsamer mit Großbuchstaben hätte sein können: Die LANDSCHAFTSPLÄTTCHEN ...
Neben der so rein zahlentechnischen Betrachtung habe ich die Anleitung einfach mal ein paar Kindern (Alter 9-13) zu lesen gegeben. Verständnisprobleme durch das Gendern konnte ich hier nirgends feststellen. Fragen entstanden mehr durch die Komplexität des Spiels selbst. Es sei noch dazu gesagt, dass bis auf ein Kind, niemand Erfahrungen mit Carcassonne hatte.
Fazit
Das sich der Verlag mit der Genderthematik befasst und sich dazu entschlossen hat in den Anleitungen mehr auf Diversity zu setzen ist in der aktuellen Zeit durchaus nachvollziehbar und spiegelt hier schlicht eine gesellschaftliche Entwicklung wieder. Letztendlich ist diese Entscheidung, wie auch die beim alten Verfahren zu bleiben, völlig legitim und folgt sicher auch (wenn auch nicht ausschließlich) wirtschaftlichen Interessen des Verlags.
Betrachtet man die oben ermittelten Zahlen, so kann von einer "Unlesbarkeit" oder "Unverständlichkeit" aufgrund des Genderns wirklich nicht die Rede sein. Es mag vielleicht gewöhnungsbedürftig sein und manchem auch nicht gefallen, doch die Anleitungen sind keine Romane und werden meist nicht als gesamter Fließtext mehrfach durchgelesen.
Eigene Meinung
Selbstverständlich ist auch die Kritik darüber legitim und ich kann sie auch in bestimmten Punkten nachvollziehen. Das ich die Sternchen mittlerweile fließend mitlese ist ja kein Maßstab für alle Leser*innen.
Jedoch finde ich, dass die Diskussion in vielen Teilen überhaupt nicht faktenbasiert, sondern rein polemisch geführt wird. Die Vertretung sowohl der einen, als auch der anderen Seite ist vollkommen ok. Doch ein Bekehren hinzu einer bestimmten Ideologie über bzw. durch dieses Spiel ist völlig unangebracht. Und Kritik über Regelwerke sollten stets an den Autor oder Publizisten gerichtet sein.
Schuchardt1972 hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 07:43
Ich finde es unerträglich, wie sich der "Hans*Gretel-im-Glück-Verlag" als moralische Instanz aufbaut und uns Spielern das schöne Spielerlebnis mit seinen Spielanleitungen mit Gendersternchen kaputtmachen will.
In dieser Aussage befinden sich gleich zwei Fehler:
- Von einer "moralischen Instanz" kann wirklich keine Rede sein, wenn sich jemand (inkl. juristischen Personen wie der Verlag hier) einer gesellschaftlichen Entwicklung anpasst. An keiner Stelle wird irgendwer zu irgendwas gezwungen oder genötigt.
- Ich bin absolut überzeugt davon, dass der Verlag niemandem das Spielen selbst, das Spielerlebnis oder den Spaß am Spielen kaputtmachen will. Dies würde absolut dem Interesse des Verlags entgegenwirken, denn der Verlag ist vordringlich ein gewinnorientiertes Unternehmen. Somit liegt es in deren Interesse den Spielspaß zu steigern, um mehr Produkte zu verkaufen, schlicht und einfach.
Schuchardt1972 hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 07:43
Aber das man noch nicht mal Gendersternchenfreie Anleitungen zum Download anbietet zeigt die starrköpfige Haltung des Verlages.
Dies hat nichts mit Starrköpfigkeit zu tun. Zwei Varianten zu schreiben, zu layouten, zu publizieren und zu pflegen ist ganz einfach teurer. Aufgrund dessen wird simpel die Variante verwendet, welche aus Sicht des Verlags den größten Teil der Zielgruppe anspricht.
Carcassone Extrem hat geschrieben: ↑Mo 27. Feb 2023, 19:17
Ich bin ja dafür, dass Spiele mit Gendern Gaga einfach nicht mehr gekauft werden, dass man den Verlag direkt anschreibt, dass es störend ist.
Nun, niemand ist dazu gezwungen diese zu kaufen. Der überwiegende Teil wird wohl mit oder ohne Gendern klarkommen. Ein Boykottaufruf ist daher zum einen etwas hochgegriffen und unangebracht. Auch wird er auch wohl wenig Erfolg haben. Den Vorschlag dem Verlag den eignen Standpunkt mitzuteilen ist sicher nicht verkehrt. Hier ist die Kritik an der richtigen Adresse und wird von jedem seriösen Unternehmen auch gerne entgegen genommen.
Carcassone Extrem hat geschrieben: ↑Mo 27. Feb 2023, 19:17
Noch dazu finde ich mich als Mann vollkommen ausgeschlossen und diskriminiert.
Das ausgeschlossen fühlen kann überhaupt nicht nachvollziehen. Hier würde mich wirklich interessieren, worauf das fußt.
Die Diskriminierung dabei finde ich offen gestanden problematisch. Denn hierfür müsste man die Situation einfach umkehren: "Wieso sollte sich eine nicht männliche Person von einem Begriff wie
Spieler, denn nicht diskriminiert fühlen?"
Carcassone Extrem hat geschrieben: ↑Mo 27. Feb 2023, 19:17
Entweder wird in den Anleitungen mit Sternchen geschrieben und wenn nicht, nur die weibliche Form verwendet. Für Männer ist Carcassone wohl nicht mehr bestimmt.
Wann welche Form aus welchen Gründen verwendet wird, habe ich oben bereits erläutert. Hier würde ich einmal empfehlen sich mit dem Gendersternchen auseinander zu setzen.